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 Der Begriff Achtsamkeit hat sich in den letzten Jahren zu einem Trendwort entwickelt. Vor allem in Medien begegnet uns der Begriff, wenn über die zunehmenden Volkskrankheiten Stress, Burnout oder Depression berichtet wird. Die Praxis der Achtsamkeit wird als eine Möglichkeit genannt, mit den Auslösern dieser Erscheinungen umzugehen. 

Stress ist nicht objektiv erfassbar. Vor allem handelt es sich um ein komplexes Phänomen. Jeder Mensch hat aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen und Reaktionen eine eigene Vorstellung davon, was Stress ist. Auch wenn die Auslöser und der Umgang damit höchst individuell sind, so versteht doch jeder im Gespräch mit anderen sofort, um was es geht und hat ein Gefühl dafür, was mit diesem Begriff einhergeht. 

Maßgeblich für unsere Stressreaktion ist das, was die Vorgänge in unserem Unterbewussten, gepaart mit unserem Autopiloten, bewirken. Zunächst beschreibt Stress die Diskrepanz zwischen einem Soll-Zustand und dem gegenwärtigen Ist-Zustand. Die Abweichung wird als Defizit, als Problem empfunden. Der Anpassungsdruck erzeugt Stress. 

Prof. Jon Kabat-Zinn, auf den die achtsamkeitsbasierte Methode zur Stressbewältigung MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) zurückgeht, beschreibt die entscheidende Einflussgröße so: „Das Ausmaß an Stress, das wir in einer Situation erfahren, hängt vollständig davon ab, wie wir die Dinge wahrnehmen und mit ihnen umgehen.“ Und: „Es liegt in der Macht jedes Einzelnen, das Kräfteverhältnis zwischen äußeren Stressoren als unvermeidlichem Teil des Lebens und dem inneren Vermögen zur Bewältigung von Stress neu zu definieren.“ 

 Diese Beschreibung der Entstehung von Stress zeigt, dass wir mit der Bewertung des Stressauslösers und dem Umgang mit unseren Stressverstärkern die wichtigsten Einflussgrößen selbst in der Hand haben. Damit liegt es in unserer eigenen Verantwortung, selbst etwas tun zu können, um das Stresserleben zu reduzieren und die Stressreaktionen zu verkürzen. 

Durch die Praxis der Achtsamkeit werden wir in die Lage versetzt, aus dem Bewusstseinszustand des Autopiloten „auszusteigen“ und in den gegenwärtigen Moment hinein „aufzuwachen“. Das Aufwachen wiederum bewirkt, dass wir genauer betrachten können, was in uns in diesem Moment das Gefühl von Stress ausgelöst hat – und wo möglicherweise unsere Ressourcen für eine Lösung liegen. 

Wir haben sehr viel mehr Einfluss und Eigen-Verantwortung im Umgang mit Stressauslösern und unserer Reaktion, als wir das möglicherweise bisher geglaubt haben. Jon Kabat-Zinn: „Auch wenn es in unserer Lebenswelt immer vielerlei Stressfaktoren geben wird, die sich unserer unmittelbaren Kontrolle entziehen, so können wir doch, indem wir unsere Perspektive verändern und den Stressoren gegenüber eine andere Haltung einnehmen, auch die Art von Beziehung verändern, in der wir zu einer Stresssituation stehen, und damit das Ausmaß, in dem sie unsere Ressourcen beansprucht oder übersteigt oder uns in unserem Wohlergehen bedroht.“ 

Unsere Ressourcen sind die Summe aus unseren inneren Kräften und der äußeren Unterstützung, die uns für die Bewältigung der Herausforderungen zur Verfügung stehen. Zu den inneren Ressourcen zählen vor allem das Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Problembewältigung, unser Selbstbild und unsere Selbstwirksamkeit, unsere persönliche Resilienz. Dazu gehört auch, dass wir unsere kognitiven Kräfte wieder ins Spiel bringen können, die durch die Signal-Angst und die darauffolgenden instinktiven Antriebe überwältigt und deformiert worden sind. All diese Potentiale können durch Achtsamkeit gestärkt werden. 

Die Stressreaktion erfolgt ohne Mitwirkung unseres bewussten Ich. Als Reaktion auf die Signal-Angst folgen wir den aufschießenden Emotionen, d.h. den angstgetriebenen Fluchtimpulsen oder den wutgetriebenen Angriffsimpulsen und sind deshalb unfrei. Eine grundlegende Fähigkeit für ein wirksames Stressmanagement besteht aus diesem Grund darin, den Reiz-Reaktions-Mechanismus stoppen zu können. Das unbewusste Ausagieren von Ärger, Wut, Beleidigtsein und anderer Emotionen zu unterbinden ermöglicht es, einen kühlen Kopf zu bewahren. So wird ein Raum der Besinnung geschaffen, in dem aus einer Übersicht heraus die Wahlfreiheit entsteht, wie ich in der gegebenen Situation handeln will. Dieser Raum der Besinnung entsteht durch das Zurückdrängen der instinktiv und automatisch wirkenden seelischen Impulse. 

Die Grundlagen für die Praxis der Achtsamkeit sind die entscheidende Basis für das Entstehen der Wahlfreiheit, nämlich bewusst, präsent, also im gegenwärtigen Augenblick und urteilsfrei das zu beobachten, was jetzt gerade ist. 

Auf diese Weise wird die unbewusst wirkende Diskrepanz zwischen dem Soll- und dem Ist-Zustand auf die Ebene des Bewusstseins gehoben. Damit wird es möglich, aus den Wirkungen der automatischen Reiz-Reaktionsmuster auszusteigen. 

Durch die Übung der Achtsamkeit erkennen wir also unsere Reiz-Reaktionsmuster und werden in die Lage versetzt, Raum zwischen Reiz und Reaktion zu schaffen. In diesem Raum werden wir unserer Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen gewahr. Damit erweitert sich unsere Freiheit und unser Spielraum im Umgang mit Problemen, Stress und Alltagssituationen.